Rund um die alte Orgel
Unsere alte Orgel war nie ein ausserordentliches Instrument. Auch ausserordentliche Begebenheiten rund um die alte Frey- Orgel waren eher selten. Geschichten wie die von jenem Organisten, der vor lauter Nervosität von der Orgelbank rutschte, auf die Pedaltasten zu liegen kam und mit dem Gekreische des Instruments die ganze versammelte Gemeinde schockierte, gibt es in Pfäffikon nicht. Trotzdem sei die eine oder andere brenzlige Situation hier kurz festgehalten:
Ein Stromunterbruch während des Orgelspiels hätte augenblickliche Stille zur Folge gehabt. Diese Situation war am Stephanstag 1999 beinahe Wirklichkeit geworden. Schon während der Predigt fiel den weniger aufmerksamen Kirchgängern auf, dass es draussen bedenklich dunkel wurde. Das Geräusch von heftigen Windböen war auch während laut gesprochenen Gebeten und Liedern immer deutlicher hörbar. Während des Schlussspiels wurde es auch in der Kirche urplötzlich dunkel, ein Stromausfall legte alle Lampen und Motoren lahm. Trotzdem wurde das Postludium von der Orgelempore herab ohne Unterbruch fortgesetzt. Der Jahrhundertsturm „Lothar“ legte wohl die Orgel still, die musizierenden Leutschnerbuebe, die seit Jahren den Gottesdienst am Weihnachtsnachheiligtag mitgestalten, konnte er aber nicht abstellen.
In den frühen Achtzigerjahren machte uns Organisten und auch dem Orgelbauer unsere damals noch nicht so alte „Dame“ richtig Bauchweh. Beim Einschalten einiger Register begann unser Instrument fürchterlich zu kreischen, wie wenn man mit dem Unterarm ganze Reihen von Tasten drücken würde. Das Begleiten von Liedern oder das Musizieren leiser Zwischenspiele war zwar nach wie vor möglich, aber die Verwendung der vorwiegend kräftigeren Register hätte auch die letzte Kirchenmaus aus den heiligen Hallen vertrieben. Dem Orgelbauer fiel nichts Besseres ein, als das Hauptkabel zwischen Spieltisch und den Orgelpfeifen zu ersetzen. Dazu war eine mehr als tagelange Lötarbeit nötig. Nach Beendigung dieser „Reparaturarbeiten“ staunten wir nicht schlecht, dass die gleiche Katzenmusik immer noch zu hören war. Das Problem lag anderswo und konnte später gelöst werden.
An den Weihnachtstagen vor ca. 10 Jahren litt unsere „alte Dame“ an Asthma. Das Hauptwerk war nicht spielbar, auf dem Schwellwerk konnte man Lieder und kleinere Orgelwerke aufführen. Während des Gottesdienstes zeigte es sich, dass die Orgel das längere Spielen von Fortepassagen nicht durchhielt. Das Ende einer Liedstrophe klang deutlich hörbar tiefer als der Liedanfang. Begann also das Lied in G-Dur, so sang man beim Amen in F- Dur. Mit der Luftzufuhr klappte es offensichtlich nicht. Zum Glück hatten für den Stephanstag die Bläser bereits zugesagt, sodass auch diese Panne nicht allzu vielen Leuten auffiel.
Einmal glaubte der Sigrist, in der Orgel hätte sich ein Geist eingenistet. Seltsame Geräusche waren zu hören. Auch uns Organisten fiel später auf, dass im Prinzipalbass 16‘ ein Ton schlecht ansprach und mehr als heiser klang. Spätere Nachforschungen ergaben, dass eine Elster, die inzwischen das Zeitliche gesegnet hatte, sich in die mehr als 3 Meter hohe Orgelpfeife verirrt hatte.
Ein eigenes Kapitel könnte man über die Erfahrungen mit dem alten Schweller schreiben. Diese jalousieartige Einrichtung zur Dämpfung der Lautstärke war vor allem der Andacht der Sopranistinnen des Kirchenchors, deren Sitzplätze sich in unmittelbarer Nähe befanden, nicht sehr förderlich. Unandächtige oder gar schlafende Gläubige hätte man damit problemlos jederzeit in die Gegenwart zurückholen können. Rücksichtsvolle Organisten drückten den Schweller deshalb immer äusserst sorgfältig und möglichst während eines Gebetes oder einer kräftigen Antwort des Kirchenvolkes. Wohl mit einem Schmunzeln schrieb deshalb der Orgelexperte Christian Scheifele, der unsere alte Orgel im September 2000 begutachtete, in seinem Bericht: „Der Schwellkasten reagiert nicht richtig auf die Pedalbewegungen, d.h. er fällt nach etwa 2/3 des Pedalweges, bei dem nichts passiert, mit einem lauten Knall zu und öffnet sich ruckartig. Dem Verfasser des Berichts ist keine Verwendung dieser Effekte in der Orgelliteratur bekannt.“
Trotz all dieser „Kinderkrankheiten“, die unsere Orgel auch im Alter noch heimsuchten, befiel uns Organisten eine leise Wehmut, als wir im letzten Februar die nach dem Pfyffe- Fäscht übriggebliebenen alten Orgelpfeifen zum Einschmelzen nach Rapperswil transportierten. Die Hoffnung, dass uns im Sommer eine von Gesundheit strotzende junge Braut erwartet, lässt uns diese melancholischen Gedanken allerdings vergessen.
Heinz Kümin